Aus dem Tagebuch eines Testmanagers

Wie allgemein bekannt, läuft die Wartung der R3 SAP Systeme 2027 aus. Kunden welche bis dahin nicht auf S/4 umgestiegen sind, erhalten nach wie vor Support von der SAP, dieser wird jedoch kostenpflichtig. Mit dieser Umstellung stehen viele Unternehmen einmal mehr vor der Herausforderung und der Fragestellung, können unsere Geschäftsprozesse mit dem S/4 SAP Standard abgebildet und abgehandelt werden? Mit dem neuen S/4 Release geht der Trend in «benutzerfreundliche Nutzung» weiter.

Die Herausforderung für die S/4 Implementierungspartner liegt vor allem darin, den Unternehmen die neue S/4 Welt so zu erklären, dass sie sehen können wie es in der alten R3 Welt aussah und wo sie die Funktionen neu im S/4 System finden und ausführen können.   

Ich durfte im Herbst 2022 in ein solch grosses Implementierungsprojekt als Test-Manager einsteigen. Die erste Phase dieses Projektes ist per Ende Juni 2024 erfolgreich live gegangen. Beim Projekte Setup wurde entschieden, die Umsetzung anhand der SAP Activate Methodik (SAP Best Practices, Focused Build, OnPrem SAP Solution Manager) umzusetzen. Die SAP Best Practices Prozesse wurden in die Lösungsdokumentation importiert. Bei der Wahl des S/4 Implementierungspartners wurde das Wissen und das Anwenden der SAP Activate Methodik vorausgesetzt. Im ersten Schritt wurde der Rollout für einige Geschäftsstellen in der Schweiz umgesetzt. Jetzt folgt eine Konsolidierungs- und Vorbereitungs-Phase. In einem zweiten Schritt, werden noch die restlichen ca. 150 Geschäftsstellen ausgerollt.  

Zurück zu meinem Einstieg in das besagte Projekt. Das Projekt war bereits seit einigen Monaten am Laufen und erste FIT/GAP Workshops mit den Fachbereichen hatten bereits stattgefunden. Bei einigen Fit/Gap Workshops konnte das Test Management teilnehmen und erfasste die Gap’s gleich im entsprechenden Geschäftsprozess-Diagramm. Weiter wurden Bemühungen unternommen, die entsprechenden Ressourcen in der Anwendung der Prozessmodellierung im SAP Solution Manager zu schulen. Doch im Verlauf des Projektfortschrittes, wurden die erkannten Gap‘s aus den Workshops, leider nicht mehr konsequent im Geschäftsprozess-Diagramm (Lösungsdokumentation, Geschäftsprozess) festgehalten. Der Geschäftsprozess ist jedoch ein zentrales Element, auf dessen Basis, Testfälle abgleitet und erstellt werden können. Weiter kann man am Geschäftsprozess-Diagramm bereits früh erkennen, wie viele Testfälle notwendig sind, um diesen Geschäftsprozess vollständig zu testen. Dem Projekt standen bis zu diesem Zeitpunkt, weder Testfälle aus dem R3 SAP System noch Testfälle für das S/4 System zur Verfügung.  

Oftmals werden in solchen Grossprojekten, Ressourcen von Mitarbeiter, mit sehr guten Kenntnissen über ihre Geschäftsprozess (Product Owner, Prozess Owner, Modulverantwortlicher, …) benötigt und gebunden. Für diese Mitarbeiter ist das in der Regel zusätzlicher Aufwand zum laufenden Tagesgeschäft. Wie kommt das Test-Management zu den Testfällen welche unabdingbar sind, um die neue Lösung zu testen und zu implementieren und wer kann diese Testfälle erstellen? Aufgrund der Ressourcenengpässen und dem Projektfortschritt hat das Projekt entschieden, die S/4 SAP Best Practices Testfälle zu nutzen.

Die Testfälle (Word) wurden in eine Upload Datei (Excel) überführt und in die Lösungsdokumentation geladen. Anschliessend wurden die entsprechenden Fachbereiche damit beauftragt die Testfälle zu überprüfen und wo nötig zu ergänzen. Die Fachbereiche hatten bis zu diesem Zeitpunkt trotz S/4 Schulungen, nur wenig Kenntnisse über die neuen S/4 Prozesse. Eine engere Zusammenarbeit mit dem S/4 Implementierungspartner wäre an dieser Stelle sehr wichtig gewesen. Für gewisse Lösungen bestanden keine SAP Best Practices Testfälle. Die Projektmitglieder mussten diese manuell anlegen. 

Die erste Testphase stand vor der Türe und die Qualität der vorhandenen Testfälle war sehr unterschiedlich. Es wurden Bemühungen angestrebt, die Testfälle zwischen den Testzyklen (3 – 4 Testphasen) jeweils anzupassen, zu ergänzen oder neu anzulegen. Leider konnten nicht alle Teilprojekte ihre Testfälle zur Projektlaufzeit überarbeiten. 

Fazit

Es ist gut und praktisch das die SAP die SAP Best Practices Testfälle zur Verfügung stellt. Doch können diese Testfälle in den wenigsten Fällen 1 zu 1 für das Unternehmen übernommen werden. Sie dienen lediglich als Ausganspunkt. Wen keine «alten» Testfälle oder SAP Best Practices Testfälle vorhanden sind, sollte unbedingt der S/4 Implementierungspartner in die Pflicht genommen werden, diese zusammen mit den Fachbereichen zu erstellen oder anzupassen.  

Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Ergebnisse aus den FIT/GAP Workshops, zur Echtzeit, im Geschäftsprozess-Diagramm (Lösungsdokumentation) dokumentiert werden. Weiter sollte das Test-Management frühzeitig in die FIT/GAP Workshops involviert werden um die notwendigen Funktionen im SAP Solution Manager zu schulen oder gleich selbst Teil der FIT/GAP Workshops zu sein, um die erkannten GAP’s festzuhalten. Der Testfall ist damit noch nicht erstellt, jedoch steht ein Geschäftsprozess-Diagramm zur Verfügung von dem man ein Testfall ableiten kann. Neben dem Testfall kann auch die funktionale Spezifikation dazu dienen, ein ersten Entwurf eines Testfalles zu erstellen und diesen gemeinsam mit dem Fachbereich zu reviewen oder zu ergänzen.

Bevor die zweite Phase ausgerollt wird, haben die Fachbereiche nun die Möglichkeit, ihre Testfälle zu überarbeiten und anzupassen. Um sicher zu gehen, dass die Testfälle qualitativ besser werden und sie auch überprüft werden, wird das Test-Management diesen Prozess anstossen, unterstützen und führen. 

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Piero Perrone

Piero ist als ALM Consultant tätig und bringt umfangreiches Wissen in der Anwendung von SAP Solution Manager mit. Er bringt Erfahrung aus dem Bereich SAP Basis mit und hat sich auf das operative Testmanagement spezialisiert.

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